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Auskunft Nr. 2017-01: Seda

Frage:

Liebe Mundart-Experten, könnt ihr erklären, woher der Ausdruck «Seda» stammt, wenn man jemandem etwas gibt, und zu welchem Dialekt er gehört?

Antwort:

Über oder se (da) hets a lenga Artikù im Band 7 vom Schwizerische Idiotikon. , se, ssä sygi eerschtens a Interjektion, auso as Usruefwort, «zur Erregung der Aufmerksamkeit». As het d Bedütig «hee, pass uuf» i Sätz wi Sä, du Tschaupi, du trappisch mer uf d Hüenerouge oder sä, wo brönnts u d Bedütig «la gsee, chomm» i Sätz wi Sä, trink doch oo oder sä, los nöijis.
Zweitens – wy hütt vor alùm – hiisst «da, nimm» ù begleitet ds Gää. Wy bi tiens u tenez im Französische gits zu o di auti Höflichkiits- oder Pluralform sänd oder sät. Sänd, das isch üüwers oder sät, da heit dr non es Trinkgäutli. Bi üüs im Senslerdütsche gits analog zu de wäutschi Luttig no (da) oder tschä! Sozsääge a Müschig zwüschem aute germanische ù Französisch tiens.
Dem Wort het mù scho im Gootische chene begägne, ara germaanischi Spraach, wo lengschtens uusgschtorben isch. As isch auso uuraut. Im Authoochdütsche het mù probiert, das Ruefwort a ds Weerb sehen aazlääne; drum gits für di schrüftdütschi Übersetzig «lass sehen». , ssä het aber weder mit «sehen» no mit «saisir» epis z tüe, as isch as Wort für sich.
Ursprünglich gits daas auso i aune Tütschschwyzer Dialäkt – ù no drùberuus.

Antwort von Christian Schmutz, Radio SRF

Treffen der Dialektologen im Breisgau

Die alemannischen Dialektforscherinnen und -forscher haben sich im Oktober zu einer Arbeitstagung in Freiburg i. Br. getroffen. Dabei brachten viele interessante Projekte neue Erkenntnisse.

Seit über 50 Jahren versammeln sich Leute, die sich beruflich mit Mundarten beschäftigen, im Dreijahres-Rhythmus zu einer Arbeitstagung.  Mitte Oktober fand sich eine Gruppe mit rund 80 Personen aus der Alemannia (Süddeutschland, Elsass, Vorarlberg, Deutschschweiz) in Freiburg im Breisgau. Während zweieinhalb Tagen machten sie sich ein Bild von den aktuellen Entwicklungen in der Mundartforschung. Und beim Festanlass kam das Gesellige nicht zu kurz. Der Mundartdichter und Sprachverwurstler Stefan Pflaum holte die Sprachforscher ab.

Von dänk über kolümnele bis Schtyykch – alles Schweizerdeutsch

Hier lose ein paar fachliche Rosinen aus dem reich befrachteten Programm:

  • Helen Christen, Professorin an der Uni Freiburg (CH), sprach im Eröffnungsvortrag über Satzbestandteile, die im Schweizerdeutschen zu Partikeln werden. Die Wörter dänk, gloub, meini, schints schränken die Gültigkeit einer Satzaussage ein. «Der Sprecher kommentiert mit ihnen einen Sachverhalt mit Faktizität und Eventialität», sagte Christen. Dänk, gloub, meini, schints seien nur schwer zu übersetzen.
  • Mirjam Weder, Karin Madlener und Sophie Dettwiler (Unis Basel und Lausanne) untersuchen produktive Verben auf -le/-ele, die auf Nomen zurückgehen. Feste Formen wie zmörgele, tökterle, käfele sind Vorbilder für kreative Neuschöpfungen wie facebookele, kolümnele, whatsäpple oder interviewle. Schweizerdeutsch kann sich täglich verändern.
  • Raphael Berthele, Mehrspachigkeitsprofessor an der Uni Freiburg (CH), verglich die regelmässigen Diskussionen ums Mundartlernen mit denjenigen ums Fremdsprachenlernen. Bei beiden gebe es viele Stereotypen und Vorurteile, welche vom Zeitgeist geprägt seien. Berthele forderte wortgewandt mehr Forschung und weniger Meinung.
  • www.sprachatlas.ch heisst eine neue Internetseite über den Sprachatlas der deutschen Schweiz (SDS). Die Idiotikon-Redaktion macht darauf einige Originaldaten, -notizen und -karten aus dem Archiv zugänglich und erleichtert so das Forschen. Zusätzlich ist bei der Akademie für Geistes- und Sozialwissenschaften eine Broschüre über Bedeutung und Hintergründe des SDS herausgekommen.
  • Rebekka Studler von den Uni Basel hat die Einstellungen der Deutschschweizer gegenüber Dialekt und Standard untersucht und mit früheren Studien verglichen. Alte Stereotypen gegenüber dem Standard bleiben zwar, doch insgesamt wird der Umgang mit der hochdeutschen Variation immer selbstverständlicher. Er ist weniger belastet und weniger problematisch.
  • Christa Schneider und David Bichsel von der Uni Bern haben sich gefragt: «Can you English?» Wie sprechen die Berner englische und für Schweizer Ohren ungewohnte Laute wie in Pub, Update, etc. sowie in Steak aus? Gerade bei Steyk vs. Schtyykch zeigt sich, dass die mittlere Generation gern über das Ziel hinausschiesst. Auch gibt es Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Sprechern.
  • Aber auch im süddeutschen Raum wird viel geforscht. Javier Caro Reina hat dabei eine neue Einteilung des alemannischen Sprachraums propagiert. Es sei entscheidend, ob der Schwerpunkt eher auf der Silbenaussprache oder auf der Wortaussprache liege. Mit einer eigenen Analyse versuchte er, diese Typologie noch zu verfeinern.

Christian Schmutz, Oktober 2017

Zum Tod von Polo Hofer – Vater des Schweizer Mundart-Rocks

Der Berner Mundart-Rockmusiker Polo Hofer – bekannt als «Polo National» – ist am 22. Juli 2017 im Alter von 72 Jahren gestorben. Hier eine Auswahl an Nachrufen und Erinnerungen aus Deutschschweizer Medien

Polo Hofer – vom Hippie und Popstar zum Schweizer des Jahres
wat.is/Hfi85BAAz40J:DhC

«Tschou zäme, isch schön gsy!» – Mundartrocker Polo Hofer im Alter von 72 Jahren gestorben
wat.is/Hfi85BAAzYMAupzC

Zum Tod von Polo Hofer «Gopfristutz e Kiosk»
www.nzz.ch/feuilleton/schweizer-mundartrocker-polo-hofer-ein-weltstar-der-schweizer-ist-gestorben-ld.1307654

Polo Hofer – Ein Weltstar der Schweizer
www.nzz.ch/schweizer-mundartrocker-polo-hofer-gestorben-ein-weltstar-der-schweizer-ld.1307657

NZZ_Polo Hofer_Interview_2006: «Die Groupies wären jetzt Mütter»
www.nzz.ch/articleDGISZ-1.2068

«Kiosk», «Teddybär», «Alperose»: die grössten Hits von Polo Hofer im Video
www.solothurnerzeitung.ch/schweiz/kiosk-teddybaer-alperose-die-groessten-hits-von-polo-hofer-im-video-131552531

Mit Polo National verliert die Schweiz ihren grössten Volkssänger – eine Würdigung
www.solothurnerzeitung.ch/kultur/musik/mit-polo-national-verliert-die-schweiz-ihren-groessten-volkssaenger-eine-wuerdigung-131552491

«Stüehl ewäg» – Erinnerungen in Bildern
www.nzz.ch/feuilleton/bildstrecke/zum-tod-von-polo-hofer-stueehl-eweg-ld.108279

Pedro Lenz über Polo Hofers Mundart: „Er hatte für jedes Lebensgefühl eine Sprache»
Für Schriftsteller und «Nordwestschweiz»-Redaktor Pedro Lenz war Polo Hofer ein Vorbild: Lenz schreibt exklusiv für die «Nordwestschweiz», wie Polo National ihn ermutigt hat, Geschichten in verständlicher Umgangssprache zu erzählen.
www.aargauerzeitung.ch/kultur/musik/pedro-lenz-ueber-polo-hofer-72-er-hatte-fuer-jedes-lebensgefuehl-eine-sprache-131555490

Polo national, der Linke
Ausgerechnet ein Kiffer entwickelte sich zum Lieblingsmusiker der Nation. Dabei blieb er politischer, als sich wohl mancher Fan bewusst war.
www.tagesanzeiger.ch/18129721

Eines der letzten Interviews_Aug.2016_Polo über die Diagnose Lungenkrebs: «Ich habe meine Sterblichkeit immer akzeptiert»
Schon seit geraumer Zeit machte sich die Schweiz Sorgen um den Gesundheitszustand von Mundart-Rocksänger Polo Hofer (72†). Im «Talk Täglich» von Tele Bärn verriet Hofer im August 2016, dass er an Lungenkrebs litt. Es war eines der letzten Interviews, das Hofer gab.
www.solothurnerzeitung.ch/schweiz/polo-ueber-die-diagnose-lungenkrebs-ich-habe-meine-sterblichkeit-immer-akzeptiert-130530259

Reis zum Samichlaus

Wer sich d’Zit bis zur Wienacht vetriibe will, macht sich am beschte mit em Müüserich Mäxu uf d’Reis zum Samichlaus. Jede Tag wartet e sorgsam illustrierts Oobetüür, im Berner Dialekt vezellt. Für Chind vo vier bis hundertzwänzgi.

Graf, Irene (Hg.): Adväntskaländer in Mundart: garantiert zahnschonend. Mit Illustrationen von Edith Pieren. mundARTverlag 2008.

Als Kalender (ISBN: 9783952371527) und als Hörbuech (ISBN: 9783952371534) erhältlich.

http://www.mundartverlag.ch/maexu/

Flade?

Chürzlich uf em Weg ad Uni. I stüüre dur de Bahnhof, halbe no i de S-Bahn am Lese, halbe scho im Seminarruum am Diskutiere. Us em Augewinkel erhasch i en neue Lade. E Bäckerei, wie s vo usse uusgseht. Mitten im akademische Chrüsimüsi meldet sich min Mage. Luutstarch, wie immer, und mit ere gnaue Vorstellig vo Zmittag: Flade söl s sii. Also mach i kehrt, laufe dur d Schiebetür gradwegs zum Trese und froge d Vechäuferin dehinder: «Grüezi, hend Sie Flade?» D Vechäuferin luegt mi vedutzt aa. «Was hend mr?» Ihres Züritüütsch loht mi no nöd zwiifl e, drum erwideri munter: «Flade.» Und im Moment, won i s sege, merk i, dass do kei akustischs Missveständnis vorliit, sondern e dialektals. Wan i meine, isch: «Wäääie.» I seg s mit Noodruck, zieh s «ä» id Längi, wil da d Zürcher doch so mached, oder? Es fühlt sich komisch aa. S Wort chunnt nu schwer über mini Lippe. Trotzdem muen i grinse, und au d Vechäuferin lächlet veschmitzt. Professionell, wie sie off esichtlich isch, velüürt sie kei Wort über üsen kulturelle Grabe. «Nei, leider», antwortet sie stattdesse und beloht s debii, zum üüs beidne wiiteri Piinlichkeite z erspare. So verlohn i de Lade ohni Flade. Ohni Wäääie. Ohni Zmittag. Und doch eigenartig zfride.

(Susanna Schoch)

Neues aus der Wissenschaft

Wenn man eine Lokalbevölkerung nach dem Klang ihrer Mundart oder derjenigen ihrer Nachbargebiete fragt, erhält man bisweilen recht interessante Antworten. Die Benennung von charakteristischen Merkmalen und die impressionistischen Beschreibungen des Klangs einer Mundart können einiges verraten darüber, wie eine Mundart von den Sprechern selber oder ihren Nachbarn wahrgenommen wird. In einem wissenschaftlichen Artikel von 2014 bespricht Helen Christen, Professorin für germanistische Linguistik, solche Laienaussagen über Mundarten, die im Rahmen der Datenerhebung für den Sprachatlas der Deutschen Schweiz (SDS) erfasst und im Atlas unter der Rubrik “Hinweise der Gewährsleute” vermerkt worden sind. So gab etwa eine Gewährsperson aus Sisikon (Kanton Uri) zu Protokoll, die eigene Mundart sei “nicht so gezogen wie diejenige von Schwyz”, womit wohl auf die unterschiedliche Entwicklung gewisser Langvokale angespielt ist. Häufig trifft man Aussagen wie diejenige einer Gewährsperson in Feusisberg (Kanton Schwyz), die sagte: “Hier sagt man öis, in Einsiedeln üüs”. Ein Vergleich zeigt nun, dass die Laienurteile zumindest bei den lautlichen Unterschieden verlässlich waren und mit den objektiven, für den SDS am jeweiligen Ort erhobenen Daten übereinstimmten. Bei Unterschieden im Wortschatz war dies jedoch nicht immer der Fall. So bemerkte etwa eine Gewährsperson in Sarnen, in Lungern sage man dem Bäcker Brootler, was aber durch die SDS-Daten nicht bestätigt werden konnte.

Christen, Helen (2014). “«Die hiesige Mundart ist nicht so gezogen wie diejenige von Schwyz». Metakommunikation und das Sprachraumwissen von Laien”. In: Bühler, Rudolf et al.: Sprachkultur – Regionalkultur. Neue Felder kulturwissenschaftlicher Dialektforschung. Tübingen. S. 35-54.

LT, 18. Juni 2016

De startschuss isch gfalle

Vor füf täg het smundartforum chöne sis projekt emne tolle publikum vorstelle! Sisch ä lässigi stimmig xi im „Jenseits“ underem Viadukt, und üsi künschtler – sowohl die plante als au die am offene mikro – hend sich vo ihrer beschte siite zeigt. Wie sich dStandardsproch und sSchwiizerdütsche mengmol id hoor bechömed und mengmol id arme falled, het üs dr Guy Krneta wunderbar sprochgwandt präsentiert. Am offene mikro het zersch dMaria König-Nydegger die ganz gsellschaft mit ihrne bärndütsche gschichte zum lache brocht, dänn hend üs dr Dario und de Fredrik mit ihrne mörderische chirurgefantasie manchi gruselschauer über dr rugge gjagt. Au de Remo Zumstein het mit sim uftritt meh als brilliert und üs mit sine sprochspiil zum giggele, aber au zum nodenke broocht. Sgäbt no so viel zverzelle: vom lieblingswort, vom sprochatlas und üsem gwitzte moderator Patrick Meade. Aber do muess mr eifach debii xi sii; snächscht mol denn!;-) Sisch nämli würkli en glungene alass xi, perfekt gschlosse mit de is Herz fahrende rhythme vo O.H. Danke a eui all!

Willkommen beim Mundartforum

Willkommen beim Mundartforum!

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